September 23, 2015

Autor/in: Tassilo

Wie reagieren Elternrebellen auf so eine Situation? 

vater_tochter1Mittwochmorgen, pädagogische Teamsitzung in einer Wohngruppe.

Eine Kollegin sagt, dass Miriam (7), die geistig auf dem Stand einer 4-Jährigen ist, immer wieder Dinge aus den Zimmern anderer Kinder klaut und teilweise kaputt macht. Die anderen Kinder sind natürlich total wütend. Deshalb hat die Kollegin als Konsequenz sieben Tage Zimmerarrest verhängt.

Ich hoffe, Dir geht es genauso wie mir damals! Fassungslosigkeit lähmt meine Sprachmuskeln! Erst seit wenigen Wochen arbeite ich in der katholischen Einrichtung.

Jetzt musste ich Farbe bekennen. Mir sind noch andere, merkwürdige Dinge aufgefallen, aber wenn ich diese Erziehungsmaßnahme ohne Widerspruch durchwinken würde, wäre es ein Verrat meiner pädagogischen Grundwerte.

Also habe ich gesagt: „Ich mache nicht mit!“

Schweigend starrten mich alle ungläubig an.

Ich dachte: „Wie kann man einem Kind sieben Tage Zimmerarrest als Konsequenz geben, völlig egal, was es gemacht hat?!“

Mein Nein hat dazu geführt, dass diese Kollegin niemals meine beste Freundin wurde, sondern sich eher verhalten hat wie eine Feindin.

Wie es weiterging erzähle ich Dir weiter unten.

Ich möchte hier nicht über die Kollegin von damals lästern, sondern Dir erzählen, warum ich nicht besser war als sie.

Als ich Vater wurde, habe ich mich oft dabei ertappt, wie ich andere Eltern in Gedanken abgewertet habe: Die sind unreflektiert, lassen ihre niederen Instinkte an den Kindern aus, schreien rum, fassen sie hart an oder bedrohen und erpressen ihre Schützlinge. Sie sagen Dinge wie: „Wenn du das nicht machst, dann …!“

Gerade intelligente Eltern machen das geschickter. Sie verfälschen nicht so plump und offensichtlich, sondern sehr geschickt!

Sie loben das Kind, um bestimmte Verhaltensweisen zu verstärken: „Das hast du gut gemacht!“. Sie sprechen von Konsequenzen statt von Strafen, damit es für das Kind verständlich ist. Wenn das Kind schneller laufen soll, machen sie ein Wettrennen: „Wer als Erster da ist, hat gewonnen!“ Es wird versucht, spielerisch oder mit Überzeugungsversuchen zu manipulieren.
Ich glaube, alle Menschen sind so.

Warum ich vermute, dass das alle Eltern machen?

Ich habe mich beobachtet und angewidert festgestellt, dass ich selbst so eine Elternsau war und immer wieder bin.

Bei anderen die Nase rümpfen und es selbst nicht besser hinbekommen – diese Sorte von Menschen sind mir total unsympathisch. Ich kann meinen Sohn gut verstehen, wenn er ab und zu „Arschlochpapa!“ zu mir sagt.

Ich bin mir sicher, dass Du Dich in diesen Zeilen erkennst! Das ist doch verrückt, oder?

Das zieht sich übrigens durch alle Schichten und Ideologien durch, egal ob Waldorf oder Montessori, Juuls, Rogge oder was Dir sonst noch einfällt.

Wir sind also in guter Gesellschaft.

Was also ist zu tun? Wie schaffen wir es denn, ohne Manipulation zu erziehen, ohne Drohungen, Strafen/Konsequenzen, Hinloben oder stundenlangen Diskussionen?

Wie müssten wir mit Kindern sinnvoll umgehen, wenn sie nicht das tun, was wir möchten?

Am liebsten würde ich Dir jetzt eine kinderleichte Methode an die Hand geben, oder noch besser, einfach eine Mamapille: Nimm diese grüne Pille und du bist die beste Mama der Welt.

Diese Pille gibt es nicht, genauso wenig wie einen schnellen, einfachen Weg.

Wenn Du wirklich die beste Mama oder der beste Papa der Welt für Dein Kind werden willst, musst Du Dir sinnvolle Fragen stellen!

Ich habe mir folgende Frage gestellt:

Bin ich bereit, für mein Kind zu kämpfen? (Statt in jedem Konflikt gegen mein Kind zu sein!)
Das bedeutet gerade in Konfliktsituationen meist, dass Du gegen Dich selbst kämpfst. Du kämpfst gegen Deine Vorstellungen, wie Dein Kind sein sollte, Deine alten Muster, Deine Wut und Deine Hilflosigkeit.

Der Kampf gegen meine unangenehmen Verhaltensweisen ist der härteste Kampf meines Lebens.

Ich liebe Geschichten und Filme über den Kampf mit dem Bösen. Tatort, Herr der Ringe und wie sie alle heißen.

Dann habe ich mich gefragt, ob ich bereit bin, den Kampf mit meinem eigenen Bösen aufzunehmen. Er ist weniger spektakulär als die Filme im Kino, aber sehr viel anstrengender.

Ich habe mich also entschieden zu kämpfen – für meine Kinder und mich! Kämpfen ist nichts Schlechtes. Mit den richtigen Techniken und Werkzeugen kann es richtig Spaß machen, für beide Seiten!

Normalerweise denken wir bei einem Kampf an Gewinnen oder Verlieren. Hier geht es um etwas ganz Anderes. Denn Du kämpfst nicht gegen, sondern für Dein Kind, für ein gemeinsames Ziel. Ich kämpfe für Achtsamkeit, Liebe und Wertschätzung, auch in Konfliktsituationen!

Alle Mamas und Papas, die wie wir bereit sind, für ihre Kinder zu kämpfen, auch wenn das immer wieder bedeutet, sich selbst in Frage zu stellen, sind für mich Elternrebellen.

Die Fortsetzung der Miriam Geschichte

Als ich damals in der Teamsitzung sagte „Ich mache nicht mit!“, war ich bereit, für Miriam zu kämpfen und den Konflikt einzugehen. Meine KollegInnen haben den Zimmerarrest durchgezogen.

Ich habe nicht mitgemacht und war ab diesem Zeitpunkt bereit, für die Kinder zu kämpfen.

Fazit

Elternrebellen und Familienhelden kämpfen für ihre Kinder. Das Familienleben wird zu einer Wohlfühloase für Kinder UND Eltern.

Wie das genau geht, beschreibe ich in weiteren Artikeln nach und nach in diesem Blog.

Bitte schreibe mir einen Kommentar: Wie geht es Dir mit dem Artikel?

  • Das Mittel gegen Agression ist Verständnis.
    Wie kann man dafür sorgen, dass ErzieherInnen und besonders auch die andren Kinder das Kind verstehen, dass alles kaputt gemacht hat und wie schafft man es, dass eine Miriam die Wut und Trauer der anderen Kinder versteht.
    Ich denke vieles wurzelt darin, dass Gefühle nicht mehr ausgelebt werden, denn das braucht Zeit und niemand hat Zeit.

  • Mir laufen innerlich die Tränen die Wangen herunter beim Lesen, (äußerlich nicht, weil ich im Alleinerziehenden Alltag vor lauter „stark-sein-müssen/wollen“ gerade nur sehr schwer weinen kann, auch wenn ich mir oft wünschte dass ich es könnte, um die Erleichterung des „Loslassens“ spüren zu können)
    Danke für diesen Text! Das will ich auch, gegen das Innere Böse kämpfen und FÜR meinen Sohn (Er wird bald 4). Wir kämpfen oft, und ich fühle, wie wir uns mit jedem Machtkampf weiter voneinander entfernen. Wie er einsamer, verschlossener und unglücklicher wird.
    Ich habe vor ein paar Monaten die Gewaltfreie Kommunikation entdeckt… DER Hoffnungsschimmer!!! Jedoch im Alltag geht erstmal alles immer noch seinen gewohnten Gang… Deine Texte hier helfen mir sehr! Man braucht als Eltern nicht komplizierte Texte, die alles schön darlegen und erklären, sonder „Erste-Hilfe-Notfallpakete“, die so einleuchtend wie möglich formuliert sind, damit man sie schnell umsetzen kann. Denn jeder „gewaltvolle“ (auch verbal) Konflikt ist einer zuviel!!!
    Danke dass Du das mit jedem hier kostenlos teilst!
    LG Widdermama

    • Liebe Widdermama,
      ja, es ist am Anfang schwer die Gewaltfreie Kommunikation in den Alltag zu integrieren… ich habe Experimente an mir veranstaltet um herauszufinden, was funktioniert wirklich und was nicht… mehr dazu kommt hier nach und nach…
      Sei von Herzen gegrüßt – ich wünsche dir Geduld und Neugier und viele Konflikte zum üben…
      Tassilo

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